Zugunglück in Griechenland: Kein Unfall, sondern Verbrechen!

Griechenland wurde am 28. Februar von dem tödlichsten Zugunglück in der Geschichte des Landes erschüttert. Die Nachlässigkeit der Regierung und der privaten Bahnbetreiber sind für diese Tragödie verantwortlich, die eine enorme Protestwelle mit mehreren Streiks nach sich zieht. Eine Analyse von Stamatis Karagiannopoulos von der griechischen Sektion der IMT.

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Eine Kollision von einem Güter- und einem Personenzug in der Nähe der Stadt Larissa forderte 57 Tote und 72 Verletzte. Der tödliche Zusammenstoß der Züge ist auf das gleichzeitige Ausfallen der Lichtsignalanlage, der Fernsteuerung und des elektronischen Verkehrsleitsystems zurückzuführen. Dies hätte verhindert werden können, wären diese Sicherheitseinrichtungen funktionsfähig gewesen. Zudem wurde aufgedeckt, dass die Koordinierung der Bahnstrecken ausschließlich von einigen wenigen, oft älteren und unzureichend ausgebildeten Bahnhofsleitern durgeführt wird.
So erschreckend diese Tragödie auch ist, so kam sie dennoch nicht überraschend. Erst Anfang November schickte die Transportgewerkschaft PEPE eine Gefährdungsanzeige an die Griechische Eisenbahn (OSE) und das Ministerium für Infrastruktur, in der sie die technischen Probleme benannte, die schließlich zur Kollision führten, und betonte, dass die Unterbesetzung und Unterfinanzierung ein gefährliches Ausmaß erreicht haben. Die der kommunistischen Partei (KKE) nahestehende Eisenbahnergewerkschaft DESK äußerte nur Tage vor dem Unglück dieselben Bedenken und prophezeite sogar: „Wir werden nicht auf den kommenden Unfall warten, um zu sehen, wie sie dann Krokodilstränen vergießen.“ Doch all diese Warnungen trafen auf taube Ohren.

Die tieferliegenden Ursachen

Der verkümmerte Zustand der griechischen Eisenbahnen ist dem relativ rückständigen Charakter des griechischen Kapitalismus geschuldet. Griechenland erhielt erst 1920 eine zentralisierte, landesweite Eisenbahngesellschaft, aus der 1971 schließlich die OSE hervorging. In ihrer „DNA“ ist die Unterentwicklung des griechischen Kapitalismus und die extreme Korruption und militärische Verwaltungsmentalität der damals herrschenden Junta vereint.

Mitte der 1990er Jahre begann die OSE auf allgemeines Drängen der EU mit dem Privatisierungsprozess, indem sie das Eisenbahnnetz in kleinere Unternehmen aufteilte. Dieser Prozess führte 2005 zur Gründung der TrainOSE (die für den Betrieb der Güter- und Personenzüge zuständig ist, heute „Hellenic Train“), welche 2008 von der OSE unabhängig wurde, was den Weg für den Verkauf ebnete.

2017 verkaufte die Regierung (SYRIZA-ANEL) auf Drängen der Troika (Europäische Zentralbank, Internationale Währungsfonds und Europäische Kommission) TrainOSE an die italienische Staatsbahn FSI und wandelte sie in eine Aktiengesellschaft um. Die 14,3 Milliarden Euro Schulden der OSE blieben beim Staat und wurden von Griechenlands Steuerzahlern getragen. Der Verkaufspreis für das Unternehmen betrug klägliche 45 Millionen Euro. Die Einzelheiten des Vertrags, der die Privatisierung begleitete, werden noch immer geheim gehalten.

Die Privatisierung der TrainOSE hat den Zustand der Desorganisation und der systematischen Unterfinanzierung der OSE sowie die Probleme des veralteten Netzes und des Personalmangels dramatisch verschärft.

Gleichzeitig wurde die OSE zu einem Schatten ihrer selbst. Nach Angaben der Eisenbahnergewerkschaft POS beschäftigt die Gesellschaft heute nur noch 880 Mitarbeiter, obwohl 2.100 nötig wären. Es ist also damit zu rechnen, dass Arbeiter jeden Tag Überstunden leisten müssen, nur um den Bahnbetrieb aufrechtzuerhalten. Die Sicherheit des Eisenbahnnetzes wurde nach der Privatisierung für ihre Eigentümer zu einem unnötigen Luxus. Heute haben 55% des Netzes keine Signal- und Fernsteuerungssysteme mehr.

Massenproteste

Die Regierung führt jetzt mit Hilfe der Medien eine skandalöse Kampagne, um das Verbrechen als Produkt „menschlichen Versagens“ von älteren Bahnhofsleitern zu vertuschen. Doch dieser Plan wird nicht gelingen.

Schon jetzt haben die Enthüllungen über den Verfall der Eisenbahn Zorn und Empörung ausgelöst. Am 5. März gab es eine Massenkundgebung von 50.000 Menschen. Diese kämpferische Stimmung wird jedoch vor allem von der passiven Haltung der Führung der Partei SYRIZA untergraben. Darüber hinaus spaltete die Führung der KKE ihrerseits erneut die Bewegung, indem sie sich weigert, ihre Aktionen mit den anderen Kräften der Arbeiterbewegung und der Jugend zu koordinieren.

Die enorme soziale Dynamik dieser Tragödie und ihre Auswirkungen auf das Bewusstsein der Arbeiterklasse und der Jugend erfordern allerdings die größtmögliche Einheit aller kämpfenden Kräfte.

Dieser (von uns gekürzte) Artikel wurde am 7. März auf Griechisch veröffentlicht. Seither gab es zahlreiche Streiktage im Transportbereich (der Eisenbahnbetrieb selbst ist – von seiten der Bahn – seit dem 1. März ausgesetzt) und große Demonstrationen mit hunderttausenden Teilnehmern im ganzen Land. Insbesondere am 8. und am 16. März beteiligten sich weitere Sektoren an den Streiks, so etwa der restliche öffentliche Verkehr, das Flugpersonal, die See- und Hafenarbeiter oder die Lehrer.

Die Hauptaufgabe der Bewegung bleibt die Organisierung eines tatsächlichen Generalstreiks, der die zentralen Sektoren der griechischen Wirtschaft lamlegt, und der Sturz der Regierung, um die Verantwortlichen für dieses Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Unsere griechischen Genossen sagen daher:

  • Isolierte 24-Stunden-Streiks reichen nicht aus, um zu gewinnen. Es braucht einen 48-stündigen Generalstreik mit dem Slogan: „Nieder mit der kriminellen, volksfeindlichen Regierung!“
  • Kein Vertrauen in den staatlichen „Untersuchungsausschuss“ und die reaktionären Richter, die das Verbrechen vertuschen wollen! Für eine unabhängige Untersuchungskommission der Gewerkschaften und der Arbeiterbewegung!
  • Für eine Einheitsfront aller Massenorganisationen der Arbeiterbewegung, der Jugend und der Parteien der Linken.
  • Für Kampfkomitees in jedem Betrieb, Stadtviertel, jeder Universität und Schule, für eine landesweite Koordination der Bewegung.
  • Wenn die Regierung nach dem notwendigen 48-stündigen Generalstreik nicht zurücktritt, muss ein ernsthafter, allumfassender und unbefristeter Generalstreik bis zum Sturz der Regierung organisiert werden! Für eine antikapitalistische, sozialistische Regierung der Linken, die die Eisenbahnen unter Arbeiterkontrolle verstaatlicht.

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