Südafrika: Kein Ende der ANC-Krise in Sicht

Südafrika ist hierzulande wohl am ehesten durch den langen Kampf gegen die Apartheid bekannt. Die Partei, die diesen Kampf anführte, der ANC (African National Congress), herrscht seit deren Ende 1994. Doch sie steckt schon seit langer Zeit in einer Krise. Von Daniel Ghanimi.

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Eigentlich scheint für den herrschenden ANC alles in Ordnung zu sein. Zwar war das letzte Wahlergebnis das schlechteste seit der Demokratisierung 1994. Aber mit über 62% war es immernoch ein Ergebnis, nach dem sich Parteien hierzulande alle Finger ablecken würden. Die Basis dafür ist der Kampf gegen die Apartheid, den der ANC anführte, und eine historische Allianz mit den anderen beiden wichtigen Kräften der Anti-Apartheidsbewegung - dem größten Gewerkschaftsdachverband COSATU und der Kommmunistischen Partei, die selbst nicht zu Wahlen antreten.

Doch in Wirklichkeit ist die Partei zerrissen von Flügelkämpfen. Auf der einen Seite steht Jacob Zuma, bis Februar noch Staatsoberhaupt und eng mit der aufstrebenden schwarzen Oberschicht verbunden, die nach dem Ende der Apartheid ihr „Stück vom Kuchen“ sichern will. auf der anderen Seite steht Cyrill Ramaphosa, der die alten Eliten und Großkonzerne vertritt. Ramaphosa hat diesen Kampf mittlerweile und vorerst für sich entschieden. Die Berichterstattung der bürgerlichen Medien ist dementsprechend von einem starken Optimismus geprägt. Ramaphosa wird als Hoffnungsträger dargestellt, der Partei und Staat von der Korruption Zumas befreien wird.

Zum jüngsten Höhepunkt gelangten die Kämpfe, als am 14.Februar eine Spezialeinheiten der Polizei eine Reihe von Razzien in Büros und Unterkünften der Guptafamilie durchführten, eines reichen Clans, der sein Vermögen vor allem dem Uran und Goldabbau verdankt und mit dem ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma verbunden ist. Der Flügel des ANC, den Ramaphosa vertritt, hatte sich entschieden, klar Schiff zu machen und den Kampf um die Kontrolle der Partei endgültig zu entscheiden.

Zeitgleich stellte der ANC Zuma ein Ultimatum, in dem er aufgefordert wurde, bis zum Ende des Tages zurückzutreten. Anlass dafür war ein Misstrauensantrag der oppositionellen EFF (Economic Freedom Fighters – wirtschaftliche Freiheitskämpfer). Es handelt sich also um ein gewagtes politisches Manöver: Mitglieder des ANC, die Zuma ein Jahrzehnt lang Rückendeckung gaben, schließen sich der Opposition an, um ihren Präsidenten aus dem Amt zu entfernen!

Auch wenn er sich schließlich beugte: Die Tatsache, dass der ANC nicht in der Lage war, Zuma sofort aus dem Amt zu entfernen, zeigt deutlich wie tief die Spaltung der Partei ist. Vor seinem endgültigen Rücktritt am 14.Februar lag eine lange Zeit des Herumlavierens, das symptomatisch für die Lähmung des ANC ist. Obwohl Ramaphosa die Wahl zum Präsidenten der Partei im Dezember gewonnen hatte, konnte die Zuma-Fraktion die Hälfte der Sitze in den führenden Gremien erlangen. Nachdem sich das Exekutivkomitee des ANC schon am 11.Februar für einen Rücktritt Zumas ausgesprochen hatte, verweigerte dieser diesen Beschluss einfach. Erstmals in der Parteigeschichte hatte ein Mitglied sich geweigert, eine Entscheidung des höchsten Parteigremiums zu akzeptieren.

Der „freiwillige“ Rücktritt Zumas, der sich vor allem auf die ländliche Bevölkerung stützte, ist vermutlich das einzige, was eine offene Spaltung des ANC noch verhindert hat. Das Ergebnis all dieser Vorgänge ist, dass die Zuma-Fraktion derzeit politisch am Ende ist und die Ramaphosa-Fraktion das Ruder übernommen hat. Die Korruptionsbekämpfung dient dabei nur als Vorwand. Denn die Fraktion des kapitalfreundlichen Milliardärs ist selbst durch und durch korrupt. Die taktisch klügeren Teile des südafrikanischen Kapitals wissen, dass die ArbeiterInnen von der offensichtlich zu Schau gestellten Korruption Zumas und der Guptas genug haben.

Was sich in den beschriebenen Vorgängen sehr deutlich zeigt ist, dass der ANC seine Rolle als „progressive Kraft“ mittlerweile komplett eingebüßt hat. Nach dem Ende der Apartheid blieben die großen Banken, Bergbau- und Industrieunternehmen und damit die Verteilung des Reichtums des Landes im Großen und Ganzen unangetastet. Der ANC setzte auf sein Image als Partei des Widerstands, die die Demokratisierung durchgesetzt hatte und hoffte die südafrikanische Arbeiterklasse damit besänftigen zu können. Der Klassenkampf wurde für eine Zeit stärker unter dem Deckel gehalten und drückte sich auch in parteiinternen Flügelkämpfen aus zwischen offen neoliberal argumentierenden Teilen der Partei wie dem Ramaphosa-Flügel und unehrlichen ReformistInnen, die letztendlich auf Selbstbereicherung aus sind. Zuma selbst war zur Zeit seines Antritts als Parteichef des ANC 2007 noch der „linke“ Kandidat, der vom COSATU und der Kommunistischen Partei gegen den rechten Flügel des ANC unterstützt wurde. Doch die Linke versuchte, innerhalb des Systems zu arbeiten. Die sprichwörtliche Korruption von Zuma selbst und seine generelle schnelle Wandlung zum Sprachrohr einer neureichen, extrem korrupten Schicht an schwarzen KapitalistInnen und Räuberbaronen ist hier nur krasser Ausdruck dafür, dass es keinen Ausweg innerhalb des Systems gibt, was besonders in einem Land wie Südafrika offen absurde Züge annimmt.

Der Wandel Cyrill Ramaphosas vom kämpferischen Bergarbeitergewerkschafter zum Kapitalisten und Milliardär, der an der Niederschlagung des Bergarbeiterstreiks in Marikana mit 47 Toten im Jahr 2012 beteiligt war steht symptomatisch für den Wandel des ANC. Ramaphosa wurde in den 1990er Jahren von den KapitalistInnen Südafrikas reich dafür belohnt, dass er die revolutionäre Bewegung gezähmt hatte. Er setzt jetzt als neuer Präsident auf Sozialabbau und greift das Streikrecht an.

Ramaphosa und Zuma stellen somit zwei Seiten einer Medaille dar. An ihnen kann man gut erkennen, dass KapitalistInnen besonders in revolutionären Perioden, versuchen AnführerInnen der Arbeiterklasse zu kaufen um das revolutionäre Potential zu schwächen. Der ANC hätte damals die Möglichkeit gehabt nicht nur das Apartheidsystem zu stürzen sondern den Kapitalismus in Südafrika zu überwinden. Diese Aufgabe stellt sich jetzt einer neuen Generation an KämpferInnen.

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