Streik in Frankreich: Beginn einer neuen Ära des Klassenkampfs Share TweetDer für Donnerstag ausgerufene Generalstreik gegen die Renten- und Pensionsreform von Präsident Emmanuel Macron hat die verschiedenen Kämpfe in der französischen Gesellschaft gebündelt.[Source]Nach Angaben der CGT (der führenden Gewerkschaft) nahmen 1,5 Mio. Menschen an den Demonstrationen teil. Damit wäre dies die massivste Bewegung seit dem Kampf gegen die Angriffe der konservativen Juppé-Regierung Ende 1995. Auf den Straßen macht sich nunmehr der Geist der Gelbwestenbewegung breit: die ArbeiterInnen richten ihre Wut nicht nur gegen die Renten- und Pensionsreform, sondern gegen die Regierung als Ganzes.Polizei und Gewerkschaften gaben unterschiedliche Teilnehmerzahlen für die unterschiedlichen Städte und Regionen an, was es schwierig macht, ein verlässliches Bild zu gewinnen. In Marseille beispielsweise ging die CGT von 150.000 Demonstrierenden aus – sechsmal höher als die offizielle Schätzung der Polizei. Die Behörden neigen dazu, das Ausmaß der Proteste herunterzuspielen. Den Bildern auf Social Media zufolge scheinen aber die Zahlen der Gewerkschaften näher an der Wahrheit zu liegen. Unzweifelhaft ist jedenfalls, dass die Teilnahme überall erheblich höher war als in den vergangenen Jahren.Die Polizei zählte 33.000 in Toulouse, 20.000 in Bordeaux, 19.000 in Nantes, 15.000 in Clermont-Ferrand, 13.000 in Lille, Rouen und Grenoble; und jeweils mehnrere Tausend in Tours, Rennes, Brest, Saint-Etienne, Bayonne, Pau, Strasbourg, Perpignan, Limoges, Saint-Nazaire und Caen. Wenn wir von ähnlich unehrlichen Schätzungen wie in Marseille ausgehen, ist die gesamtfranzösische Zahl überragend. Sogar in Versailles fand eine massive Mobilisierung statt, wo der Streik nicht nur den Bahnhof stillgelegt, sondern auch die Schließung des Schlosses erzwungen hat.Verschmelzung der KämpfeDas Rückgrat des Streiks bildeten die Transportarbeiter. Der öffentliche Verkehr wurde fast gänzlich eingestellt. Nach Angaben der SNCF (der staatlichen Eisenbahngesellschaft) waren nur etwa 10 Prozent der TGVs und Schnellzüge in Betrieb. 90 Prozent der Regionalzüge waren ebenfalls außer Betrieb. Die U-Bahn-Stationen waren leergefegt, nachdem die Metro-ArbeiterInnen die Arbeit niedergelegt hatten. Internationale Verbindungen wie der Eurostar nach London wurden ebenfalls stark eingeschränkt. Air France musste 30 Prozent der nationalen und internationalen Kurzstreckenflüge streichen, nachdem die Fluglotsen nicht zur Arbeit erschienen waren.Weitere Schichten der öffentlich Bediensteten streikten in großen Zahlen, insbesondere die LehrerInnen. Hunderte Schulen mussten geschlossen werden, da 70% der Volksschul- und 60% der LehrerInnen an weiterführenden Schulen streikten. Vielen von ihnen schlossen sich ihre SchülerInnen an. Bedienstete aus den Gesundheitsberufen zeigten ebenfalls überall sichtbare Präsenz. Obwohl sie einen Notbetrieb aufrecht erhalten mussten, nahmen sie über das ganze Land verteilt am Streik teil, und auf Social Media machten Bilder mit ganzen Flotten an Rettungswagen die Runde, die die Hauptstraßen in Paris blockieren.Der französische Staat, noch frisch blutbefleckt von der Repression gegen die Gelbwestenbewegung, reagierte mit Härte auf die Demonstrationen. 6000 Bereitschaftspolizisten waren entlang der Hauptdemonstrationsroute in Paris im Einsatz, vom Nordbahnhof bis in den Osten der Stadt. Bis zum Nachmittag kam es bereits zu über 70 Festnahmen. Im Laufe des Tages wurden die Polizeieinheiten immer aggressiver. Sie feuerten Tränengas und die gefürchteten Gummischrotgeschosse in die Menge: die brutale Waffe zur "Krawallbekämpfung", die schon viele Gelbwesten Finger und Augen gekostet hat. Trotzdem waren die Demonstrierenden überwiegend friedlich. Nur wenig Zusammenstöße und Vorfälle von Vandalismus wurden gemeldet.Die Feuerwehren spielten eine heldenhafte Rolle. Sie führten vor zwei Monaten eine Demonstration gegen ihre Lohn- und Arbeitsbedingungen durch, die von der Polizei brutal beendet wurde. Das hat einen starken Eindruck in ihrem Bewusstsein hinterlassen. Trotz eines Zusammenstoßes zwischen Feuerwehr und Polizei in Lille waren sie mehrheitlich eine disziplinierte Kraft und zeigten sich als organisierte Blöcke auf den Demonstrationen in Avignon, Toulon, Rennes und Rouen. Sie hoben ihre Hände in die Höhe, um zu signalisieren, dass sie friedlich hier waren. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich passiv verhalten hätten.In Paris traten sie zweimal den CRS (der Bereitschaftspolizei) entgegen, nachdem die Hauptdemonstration am Boulevard Magenta und nochmals am Place de la République blockiert wurde. Die Menge wurde ununterbrochen mit Tränengas beschossen, das Atmen wurde fast unmöglich. Die Feuerwehren mit Mundschutz und Helmen marschierten an die Spitze der Demonstration, drängten die Polizei zurück und beendeten die Blockade, wodurch der Marsch fortgesetzt werden konnte. Währenddessen rief die Menge ununterbrochen: „Macron, démission!“ („Marcron, tritt zurück!“), die Hauptparole der Gelbwesten.Während der Streikaufruf im öffentlichen Dienst breit befolgt wurde, zeigt sich ein anderes Bild in der Privatwirtschaft. Auch hier sind nur begrenzt Informationen vorhanden, aber offenbar hat in diesem Sektor nur eine kleine Minderheit am Streik teilgenommen. Beispielsweise wird aus dem Renault-Werk in Flins berichtet, dass trotz Aufrufs der Gewerkschaften lediglich fünf Prozent der ArbeiterInnen streikten.Trotzdem waren auch einige Schlüsselsektoren in der Privatindustrie betroffen. Die ArbeiterInnen in den Ölraffinerien beispielsweise haben sich in den vergangenen Jahren als sehr radikaler Teil der Arbeiterklasse gezeigt. Sieben von acht großen französischen Raffinerien waren am Donnerstag im Streik. Dazu gehörten die Anlagen von „Total“ in Donges (Loire-Atlantique), Gonfreville-l’Orcher (Seine-Maritime), Grandpuits (Seine-et-Marne), Feyzin (Lyon metropolis) und La Mède (Bouches-du-Rhône.Es gab weitere Störungen der Versorgungsketten in anderen Sektoren. Beispielsweise wurden 12 von 200 Total-Supermärkten bestreikt. Auch die Hafenarbeiter nahmen teil: die Ölhäfen von Fos und Le Havre wurden bestreikt; in Portes-les-Valence (Drôme), Puget-sur-Argens (Var) und Saint-Jean-de-Braye (Loiret) fanden kleinere Aktionen statt.Obwohl die Gelbwesten auf einen kleinen Rest zusammengeschrumpft sind, nahmen sie überall an den Demonstrationen teil – Schulter an Schulter mit den Gewerkschaften. Sie wurden dabei gefilmt, wie Autobahn-Mautstellen in St. Arnoult außer Betrieb gesetzt wurden, wodurch der Verkehr ohne zu zahlen vorbeifahren konnte. Kleine Gruppen von 200 bis 300 Demonstranten haben die Erfolgstaktik der Gelbwesten wieder aufleben lassen, nämlich Kreisverkehre zu blockieren. Die „gilets noir“, die Schwarzwesten (eine von den Methoden der Gelbwesten inspirierte Bewegung von Migranten ohne Papiere) waren ebenfalls auf den Demonstrationen. Sie zeigten sich mit dem Streik solidarisch und erhoben ihre eigenen Forderungen nach Dokumenten, um legal im Land arbeiten zu können.Obwohl generell viele Jugendliche an den Demos teilnahmen, waren die StudentInnen nicht mit organisierten Blöcken vertreten. GenossInnen der IMT vertraten auf Versammlungen in Toulouse und Paris die Parole „Solidarität zwischen Studenten und Arbeitern“, was gut aufgenommen wurde. Es gab trotzdem eine Stimmung allgemeiner Unzufriedenheit mit der offiziellen Führung, da sie die Versammlungen auf den Unis in zahnlose Gesprächsrunden verwandelt hat. Es gab nach mehreren Niederlagen der Studentenbewegung in der letzten Periode auch viel Verwirrung und Demoralisierung. Folglich ist die Zahl von 400 bis 500 Teilnehmern in den Versammlungen auf den meisten Unis deutlich kleiner als noch zum Höhepunkt der Gelbwestenbewegung.Das soll aber nicht bedeuten, dass die Jugend den Streik nicht unterstützt hätte – ganz im Gegenteil. Die StudentInnen merken mehr und mehr, dass die tatsächliche Dynamik des Kampfs in den Straßen stattfindet, in der Arbeiterklasse, und dass sie selbst kein separat abgegrenzter Teil der Bewegung sind. Im Endeffekt sind Tausende von ihnen einfach auf die Demonstrationen gegangen, gemeinsam mit den ArbeiterInnen, anstatt endlose Debatten auf der Uni zu führen.Der Streik zog sich vom Donnerstag auf den Freitag hin und produzierte dabei 350 km Staus im Großraum Paris. Der größte Teil des öffentlichen Verkehrsnetzes wird das ganze Wochenende stillstehen. Obwohl die Schulen offiziell wieder geöffnet sind, findet viel Unterricht trotzdem nach wie vor nicht statt. Trotz des allgemeinen Chaos und der eifrigen Bemühungen der Macron-Regierung, einen Keil zwischen die Gesamtbevölkerung und die Beschäftigten im öffentlichen Sektor zu treiben, ist die öffentliche Unterstützung für den Streik sehr hoch (Macron und die Presse beschuldigten die öffentlich Bediensteten, dass sie unfaire „Privilegien“ genössen). Gemäß einer Umfrage unterstützen 69 Prozent der Bevölkerung im Lande die Bewegung.Die Massen haben den korrekten Schluss gezogen, dass Macron’s Angriff auf den öffentlichen Sektor und die Renten und Pensionen nur einen Teil eines generellen Angriffs auf die Arbeiterklasse darstellt. Falls er nicht bekämpft wird, wird Macron einfach weiter auf Geheiß seiner kapitalistischen Auftraggeber die Arbeitsbedingungen verschlechtern und die öffentlichen Dienstleistungen einstampfen. Arnaud, ein 30-jähriger Geschäftsmann hat es wie folgt kommentiert: „Wenn die Leute wirklich wüssten, in welchem Ausmaß sie diese Reform betrifft, wären sie alle auf der Straße.“Das Problem der FührungAm Freitag berief die CGT ein Treffen mit FO, Solidaire, FSU (Gewerkschaften) und vier Jugendorganisationen ein, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Es wurde zu einem weiteren Streik aller Sektoren am Dienstag aufgerufen, der nach einer angekündigten Antwort der Macron-Regierung stattfinden soll. Währenddessen haben die ArbeiterInnen von SNCF und RATP (Pariser Verkehrsbetriebe) in Betriebsversammlungen bereits mit großen Mehrheiten beschlossen, den Streik mindestens bis Montag fortzuführen.Obwohl in dem Aufruf betont wird, dass es notwendig wäre, „den Streik auf alle Arbeitsplätze auszuweiten“, kommt das unausweichliche Gefühl hoch, dass die CGT-Führung den Ereignissen hinterherhinkt. Ein deutlicher Widerspruch zwischen der Strategie und der Perspektive der Gewerkschaftsspitzen und jener der Basis zeichnet sich bereits ab. Die Führung konzentriert ihr ganzes Feuer auf die Renten- und Pensionsreform, während die Basis die generelle Politik der Macron-Regierung angreift und ihren Sturz fordert. Es ist ganz klar, dass in der Gewerkschaftsführung noch die Erfahrung der Gelbwestenbewegung herumgeistert, die gänzlich außerhalb ihrer Kontrolle stand und aufstandsähnlichen Charakter angenommen hat.Im letzten Jahrzehnt hat es die Krise des französischen Kapitalismus der französischen Regierung unmöglich gemacht, tatsächliche Zugeständnisse an die Arbeiterklasse zu machen. Die Strategie der Gewerkschaftsführung folgt seither einem bestimmten Muster: Die Regierung attackiert die Arbeiterklasse, wodurch dann Druck auf die Gewerkschaft entsteht, zurückzukämpfen. Sie ruft dann zu einigen „Aktionstagen“ auf (selten Streiks), die dann sehr gut besucht werden und sich auch militant geben, aber letztendlich nur Dampf ablassen. Sobald dann die Bewegung ermüdet, müssen die Leute an die Arbeitsplätze zurückkehren – demoralisiert und ohne irgendetwas erreicht zu haben. Die Regierung macht dann einfach mit ihrer Kürzungspolitik weiter.Die kapitalistische Krise hat das alte System der Sozialpartnerschaft zerstört, in der die Gewerkschaftsbürokratie die Rolle des offiziellen Vermittlers und Schlichters zwischen der Regierung und der Arbeiterklasse übernimmt. Um ihre privilegierte Position zu behalten, hat sich die Bürokratie angepasst und spielt jetzt einfach die Rolle einer Bremse der Arbeiterbewegung. Sie hilft damit dabei, die wachsende Wut der Arbeiterklasse in sichere Bahnen zu leiten.Die Gelbwestenbewegung hat dieser Strategie ein Ende gesetzt. Sie wurde von den am stärksten ausgepressten und unterdrücktesten Schichten der französischen Gesellschaft angeführt und wurde zum Sammelpunkt einer Arbeiterklasse, die die lähmende Rolle ihrer traditionellen Organisationen restlos satt hatte. Dass die Gelbwestenbewegung gänzlich außerhalb der offiziellen Gewerkschaftsstrukturen entstand, ist überhaupt nicht verwunderlich. Die Gewerkschaftsspitzen ihrerseits beäugten die Bewegung mit Ekel und Misstrauen. Obwohl die GewerkschaftsaktivistInnen an der Basis an vielen Punkten versucht hatten, solidarische Verbindungen mit den Gelbwesten aufzubauen, wurde diese gegenseitige Feindseligkeit nie gänzlich überwunden.Der Einfluss der Gelbwestenbewegung hat sehr tief auf die französische Gesellschaft gewirkt, obwohl sie unter den Hammerschlägen des Staatsapparats und mangels einer revolutionären Führung abgeebbt ist. Es gibt zwei hauptsächliche Auswirkungen. Die erste ist: die Massen haben von den Gelbwesten gelernt, dass man sich durch tatkräftiges Handeln Zugeständnisse erkämpfen kann. Indem sie Macron zu einer 180-Grad-Wendung bei der Treibstoffsteuer zwangen, hatten die Gelbwesten in wenigen Wochen mehr erreicht als die Massenorganisationen in zehn Jahren. Wie es Isabelle Jarrivet, eine 52-jährige Verwaltungsangestellte in Paris formuliert hat: „Die Gelbwestenproteste haben die Leute dazu gebracht, nachzudenken, mehr über Politik zu reden und sich nicht alles gefallen zu lassen. Es liegt eine trotzige Stimmung in der Luft.“ In diesem Sinn sind die Gelbwesten, obwohl sie abebben, stärker als je zuvor. Viele Demonstrierende in den Straßen vertreten die Meinung: „Wir alle sind Gelbwesten.“Die zweite Auswirkung der Gelbwestenbewegung war, die vereinzelten Kämpfe in der französischen Gesellschaft gegen diese oder jene Konterreform zu einem generellen Kampf gegen die gesamte Politik von Macrons Reichen-Regierung zu vereinen. Das hat die Gewerkschaftsspitzen stark verunsichert. Nachdem es ihnen nun nicht mehr möglich war, die Wut der Massen in nutzlosen „Aktionstagen“ verpuffen zu lassen - die der Regierung übrigens komplett egal sind - waren sie durch den Druck von unten dazu gezwungen, einen ordentlichen Streik zu organisieren. Einen Streik, der das ganze Land stillgelegt und Macron wieder in die Defensive gedrängt hat. Das Problem aus Sicht der Gewerkschaftsführung ist, dass dieser Streik angesichts des tiefsitzenden Unmuts in den Straßen und den Erfahrungen aus der Gelbwestenbewegung sehr schnell außer Kontrolle geraten kann.Es ist wichtig festzuhalten, dass die Gewerkschaftsspitzen absichtlich nur schüchtern und zurückhaltend zum Streik in verschiedenen Sektoren und Landesteilen aufgerufen haben. In Wirklichkeit wollen sie keine „Verschmelzung der Kämpfe“, die breite Teile der französischen Gesellschaft involviert – egal was sie sagen. Sie haben nichts Nennenswertes unternommen, um die Bewegung auf nationaler Ebene zu koordinieren, noch bieten sie eine politische Führung, ein Programm, Ziele oder Perspektiven.Wenn man den Parolen und der Stimmung der Massen in den Straßen zuhört, ist es klar, dass sie nicht nur die Renten- und Pensionsreform abwehren wollen: sie wollen auch und vor allem, dass Macron geht. Eine weitere aufständische Bewegung von unten – vor allem eine mit einem klar proletarischen Charakter – würde die privilegierte Position der Gewerkschaftsbürokratie in ein enormes Risiko stürzen. Die Spitzen wollen nichts als sich den Streik zunutze zu machen, um in Verhandlungen mit der Regierung treten zu können (wie es in den Statements des CGT-Generealsekretärs, Philippe Martinez, klar durchschimmert). Deswegen tun sie ihr Möglichstes, um sich so ausschließlich wie möglich auf die Renten- und Pensionsreform zu konzentrieren. Sie versuchen alle übergreifenden Parolen gegen die Regierung als Ganzes zu vermeiden und lehnen komplett ab, eine Führung für eine generelle Offensive gegen Macron zu bieten.Die Renten- und Pensionsreform ist Ausdruck eines tiefersitzenden Bedürfnisses des krisengebeutelten französischen Kapitalismus, die Arbeiterklasse besser ausbeuten zu können. Macron’s gesamte Politik fußt hierauf. Der Kampf gegen die Renten- und Pensionsreform erfordert also unweigerlich eine Abrechnung mit dem gesamten Macron-Regime. Die bankrotte Strategie der CGT-Führung ist dagegen einzig dazu da, die aufständische Energie der Massen in eine Sackgasse zu führen.Leider haben auch Mélenchon und France Insoumise dieselbe Position eingenommen und betonen nur den Kampf gegen die Renten- und Pensionsreform. Das ist nur noch ein billiger Abklatsch von Mélenchons radikaler Position auf der Höhe der Gelbwestenbewegung, als er ihren Forderungen zugestimmt hat, Macron zu stürzen und sogar die Nationalversammlung aufzulösen. Dies zeigt die Krise auf, die in France Insoumise um sich greift: die Abneigung gegen ordentliche Parteistrukturen und das Beharren auf dem Konzept einer unorganisierten „sozialen Bewegung“ hat die Organisation verkrüppelt. Nach einem vernichtenden Ergebnis bei den EU-Wahlen hat das angekratzte Selbstbewusstsein einen Rechtsschwenk eingeleitet. Mélenchon machte Angebote einer Koalitionsregierung an die Grünen (die keinen Deut besser sind als die Sozialdemokraten der PS).Das ist genau die falsche Strategie zum jetzigen Zeitpunkt. Falls Mélenchon einen Teil seiner Radikalität von vor zwei oder drei Jahren wiedererlangen könnte und France Insoumise auf eine ordentliche, organisierte Basis bringen würde, könnte er die Lücke ausfüllen, die die Massenorganisationen hinterlassen haben. Mit mutigen Parolen (Macrons Sturz inklusive) könnte er an die aufständische Stimmung anknüpfen. Die derzeit aber düsteren Aussichten für France Insoumise haben sich beim Streik in Paris gezeigt: sie bildeten einen Block aus etwa 200 Personen am hintersten Ende einer Demonstration von über 200.000 Menschen.Der Geist der Gelbwesten lebt weiter!In starkem Kontrast zur Passivität und der Besessenheit in den Gewerkschaftsspitzen nach „Verhandlungen“ ist die Basis mutig und dynamisch. Die ArbeiterInnen halten bereits aus eigener Initiative Betriebsversammlungen ab und versuchen, den Streik auszuweiten und zu verstärken. Das ist der Weg nach vorne.Die Isolierung der VerkehrsarbeiterInnen als Speerspitze des Streiks stellt im Moment die größte Gefahr dar. Die Regierung könnte wahrscheinlich einen unbefristeten Generalstreik der Verkehrsbetriebe durchstehen, falls andere Sektoren den Streik beenden oder keine generelle Teilnahme zustande bringen. Falls sie sehr verzweifelt ist, könnte die Regierung sogar in separate Verhandlungen mit der Führung der Verkehrsgewerkschaften treten, um die ArbeiterInnen in diesem Sektor von der Hauptlast der Renten- und Pensionsreform zu befreien und auf diese Weise einen Keil zwischen sie und den Rest der Arbeiterklasse treiben.Wie wir schon erwähnt haben, macht die Gewerkschaftsführung keinerlei Anstalten, tatsächlich den Streik auszuweiten oder ArbeiterInnen aus dem privaten Sektor einzubeziehen (von passiven „Aufrufen“ abgesehen). Die ArbeiterInnen im Kampf müssen ihre Betriebsversammlungen zur Grundlage einer aus ihren eigenen Reihen gewählten revolutionären Führung umfunktionieren. Anstatt einfach nur dazu einzuladen, den Streik zu unterstützen, muss eine solche Führung den ArbeiterInnen politisch erklären, dass die ganzen Missstände Ausdruck der Macron-Regierung sind, die wiederum nur der Ausdruck des verrotteten kapitalistischen Systems ist. Was es also braucht, ist ein genereller Schlachtplan: ein unbefristeter Generalstreik, um zu vollenden, was die Gelbwesten begonnen haben, und um Macrons Herrschaft ein Ende zu bereiten.Es ist klar, dass die Gelbwestenbewegung nur das erste Kapitel einer neuen Ära des Klassenkampfs in Frankreich dargestellt hat: ein Kapitel, in dem Millionen ArbeiterInnen die potentielle Macht in ihren Händen gespürt haben. Die Gelbwesten waren durch ihre heterogene Klassenzusammensetzung und das Fehlen klarer Klassenkampfmethoden beschränkt. Jetzt ist das Potential für eine Bewegung auf einem qualitativ höheren Niveau gegeben, eine in der Arbeiterklasse verankerte Bewegung. Wenn die Kampfmethoden der Arbeiterklasse mit dem Mut und dem Kampfeswillen der Gelbwesten verbunden wird, wird kein Manöver, weder von Macron noch von den Gewerkschaftsspitzen, die Bewegung aufhalten können. Wir sind Zeuge des nächsten Schritts in Richtung einer aufkeimenden französischen Revolution.